Konjunkturabkühlung und Energiepreise belasten aktuell europäische und deutsche Produktion
Kurzfristig belasten die konjunkturelle Entwicklung und die weiterhin hohen Energiekosten die deutsche Gießerei- Industrie. Produktion und Auftragseingänge dürften im Branchendurchschnitt im laufenden Kalenderjahr deutlich unter Vorjahresniveau liegen. Anzeichen einer leichten, sukzessiven Verbesserung der Lage lieferte zuletzt die Sentimenterhebung des europäischen Branchenverbands CAEF, die im März 2024 den dritten Monat in Folge einen Anstieg des Indikators verzeichnete.
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Mittel- und langfristige Branchentrends liefern Impulse
In Abhängigkeit vom Produktspektrum bzw. den Abnehmerbranchen gestalten sich die Chancen und Herausforderungen der Gießerei-Indstrie heterogen. Die Automobilproduktion wird nach der jüngsten Erholung mittel- und langfristig in Europa und Nordamerika nur noch geringfügig wachsen, trotzdem aber ein relevanter Absatzmarkt für Gussprodukte bleiben. Dies gilt mittelfristig gerade auch für den Eisen- und Stahlguss aufgrund des in Europa offensichtlich langsamer als erwartet stattfindenden Hochlaufs der Elektromobilität. Stärkere Impulse sind aus dem Nutzfahrzeugmarkt aufgrund anstehender Flottenmodernisierungen zu erwarten. Eine Sonderkonjunktur wird für Nordamerika in den Jahren 2025 und 2026 für alle Nutzfahrzeugklassen über 6,5 t aufgrund der deutlich strengeren Abgasnormen der EPA ab dem Modelljahr 2027 erwartet. Insgesamt wird der Aluminiumguss mit dem Hochlauf der E- Mobilität und dem Trend zum Leichtbau weiter an Bedeutung gewinnen. Im globalen Maschinenbau ist bis 2030 mit einem starken Anstieg der Umsätze zu rechnen. Wichtige Impulse liefern die fortschreitende Digitalisierung und die damit verbundene Notwendigkeit zur Modernisierung des Maschinenparks. Auch die globale Bauwirtschaft bleibt
langfristig auf Wachstumskurs, speziell Infrastrukturprojekte sind hier der wesentliche Treiber. Für die Nachfrage aus dem Energiesektor liefert insbesondere in Europa der geplante Ausbau der Windenergie Impulse.
Gussprognose abhängig von Datenlage sowie geopolitischen und technologischen Annahmen
Bislang bauten die Prognosen der IKB für die globale Gießereiindustrie auf den einmal jährlich publizierten Daten des Modern Casting Census auf. Allerdings wurden die Produktionsdaten für das Jahr 2022 entgegen dem historischen Turnus bis Mitte April 2024 noch nicht publiziert. Aus diesem Grund sind die der Prognose zugrundeliegenden Zahlen für das Jahr 2022 teilweise noch Schätzungen bzw. basieren auf rudimentären Pressehinweisen. Insofern hat die aktuelle Gussprognose vorläufigen Charakter und könnte, falls sich bei Publikation eines aktuellen Modern Casting Census ein anderes Gesamtbild in Bezug auf die historischen Produktionsdaten ergeben sollte, noch einmal adjustiert werden.
Zu den geopolitischen Annahmen zählt, dass der Russland-Ukraine-Krieg innerhalb der nächsten zwei Jahre zu Ende geht, dass die aktuellen Konflikte im Nahen Osten sich nicht auf weitere Nachbarstaaten ausweiten bzw. im Gazastreifen bis Mitte 2025 beendet sind und dass keine neuen Konflikte in Asien mit internationaler Tragweite ausbrechen.
Der Einfluss der im Absatz Branchentrends angerissenen technologischen Entwicklungen im Bereich der E-Mobilität, des Maschinenbaus und der Energiewirtschaft auf die prognostizierten Produktionszahlen basiert auf aktuellen Kapazitäten und Lieferketten. Geopolitische Entwicklungen, verstärkte Resilienzbestrebungen der EU in Verbindung mit industriepolitischen Programmen wie dem IRA in den USA können daher zu regionalen Verschiebungen in den prognostizierten Produktionszahlen führen.
Globaler Eisen- und Sphäroguss: gegenläufige Entwicklungen
Im Jahr 2020 war im Zuge der Corona-Pandemie ein starker Rückgang der Produktion von Eisenguss zu verzeichnen, bis 2022 konnten nur wenige Regionen das Niveau von 2018 wieder erreichen. China konnte seine beherrschende Stellung kurzfristig noch ausbauen, wird langfristig aber durch eine geringere Nachfrage aus dem Bausektor belastet. Auch Japan und Korea werden Marktanteile verlieren. Das übrige Asien wird sich, wie der Rest der Welt, durchschnittlich entwickeln. Dabei verzeichnet Indien, das einen hohen Bedarf an Infrastrukturinvestitionen hat, ein stärkeres Wachstum; Vietnam und Indonesien folgen in den nächsten Jahren. Innerhalb Europas erwarten wir ein stärkeres Wachstum in den osteuropäischen Ländern einschließlich der Türkei, welches aktuell noch durch Russlands Krieg in der Ukraine belastet wird. Spanien könnte mittelfristig vom Boom der Windenergie profitieren.