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Ökomische und ökologische Vorteile des INOTEC®-Verfahrens im Serieneinsatz

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Dr. Jens Müller, Leiter Produktmanagement  INOTEC®, spricht im Interview mit dem Giesserei Erfahrungsaustausch, über die Vorteile des INOTEC®-Verfahrens im Serieneinsatz aber auch über die Herausforderungen bei der Einführung.

Frage: Im Spannungsfeld zwischen Produktivität, Qualität und Nachhaltigkeit, kommt der Wahl des Bindemittelsystems bei der Kernherstellung eine entscheidende Rolle zu. Kernmachereien stehen vor der Frage:  organische Kernbindemittel oder anorganische Bindemittelsysteme verwenden? Können Sie was zu der Bedeutung anorganischer Binder für die Gießereiindustrie sagen?

Im Falle anorganischer Binder schließen sich Produktivität und Emissionsreduzierung nicht aus. Vor allem im Gießprozess zeigt sich mit INOTEC® eine deutlich höhere Wirtschaftlichkeit. Fehlende organische Rückstände verringern den Reinigungsaufwand wahrnehmbar und eine schnellere Erstarrung im Gießprozess resultierend aus der möglichen Absenkung von Werkzeugtemperaturen verkürzt Taktzeiten.

Weiterhin können durch die schnellere Erstarrung höhere Bauteilfestigkeiten  erzielt werden, was insbesondere der Entwicklung neuer verbrauchsarmer und hoch aufgeladener Motoren zugute kommt. Mit organischen Bindern ist dies aufgrund der starken Kondensatbildung und dem daraus resultierenden Reinigungsaufwand nicht möglich.

Ich bin davon überzeugt, dass anorganische Binder künftig an Bedeutung gewinnen werden. Denn  mittlerweile sprechen nicht nur ökologische Vorteile für deren Einsatz, sondern mit INOTEC können auch Kosten eingespart und die Produktivität gesteigert werden.

Frage: ASK Chemicals hat 2006, als erstes Unternehmen, ein anorganisches Bindemittelsystem zur Großserienreife gebracht. Der gewonnene Erfahrungsschatz und das Know-how sind unschätzbar, wenn es darum geht, das neue Verfahren in einem Kernmacherbetrieb einzuführen. Welche Modifikationen und Investitionen erwarten den Betrieb?

Anpassungen sind über die gesamte Prozesskette zu erwarten. Ob diese auch gleichzeitig mit einer größeren Investition verbunden sind, gilt es gemeinsam mit dem Kunden zu klären. Das Verfahren ist heißhärtend, d.h. beheizbare Kernkästen sind essentiell. Um den  Aushärteprozess durch das Begasen mit heißer Luft zu unterstützen benötigt man auch hier die entsprechende Technik. Schließlich ist das Kernkastenkonzept mit erfolgsentscheidend. Hier hilft unter anderem die Simulation, die wir als Serviceleistung anbieten. Generell lässt sich aber sagen, dass auch die Maschinen- und Werkzeughersteller die Anorganik als Zukunftsmarkt für sich entdeckt haben und auf die Anorganik abgestimmte Lösungen anbieten.

Ich möchte an dieser Stelle noch unterstreichen, dass kontinuierlicher technischer Support auch nach erfolgreicher Einführung selbstverständlich für uns ist.  Neue Herausforderungen lauern tagtäglich und so versuchen wir diese zusammen mit den Kunden, unseren Experten der Anwendungstechnik und Forschung & Entwicklung schnellstmöglich zu meistern.

Besonders wertvoll für uns ist, dass wir mit der ASK CoreTech in Moosburg eine eigene anorganische Kernfertigung betreiben, d.h. wir sind selbst Abnehmer unseres Produktes und können so mit eigenen Serienerfahrungen aufwarten.

Frage: Muss man bei der Einführung des INOTEC®-Verfahrens auch mit Einschränkungen in der Prozesssicherheit rechnen?

Das Verfahren ist technisch anspruchsvoll, da es ein Fine-Tuning der Prozessparameter über die gesamte Fertigungskette  erfordert. Die organischen Systeme sind seit Jahrzehnten etabliert und die Kunden kennen die Tücken der konventionellen Technologien. Mit dem noch „jungen" INOTEC-Verfahren müssen sie sich erst noch vertraut machen. Ist dies einmal erfolgt und sind die Abläufe optimiert, steht die Anorganik in Sachen Prozesssicherheit der Organik in Nichts nach.

Ein Unterschied zur Organik besteht in der Handhabung der Kerne. Zwar weisen die anorganischen Kerne teilweise größere Festigkeiten als die organischen auf, doch sind Erstere weniger stoßresistent, da sie einen glasartigen Charakter haben.
Das Entkernen anorganischer Kerne in filigranen Geometrien kann aufgrund des ausbleibenden Verbrennungsprozesses  anspruchsvoller sein, was nicht heißt, dass es nicht zu bewerkstelligen ist. Andernfalls wäre die Serienanwendung nicht so erfolgreich.

Frage: Kerne, die mit anorganischen Bindern hergestellt wurden,  haben eine schlechte Feuchtestabilität. Inwieweit schränkt dies die Nutzung ein oder wird zu einem Hemmnis für den großflächigen Durchbruch?

Die Einschränkungen bei der Feuchtestabilität sind auf die Natur der Chemie zurückzuführen. Das INOTEC Bindersystem ist in Wasser gelöst, weshalb es auch emissionsfrei ist. Diese Wasserlöslichkeit ist jedoch nach erfolgtem Aushärtungsprozess nicht gänzlich irreversibel.  ASK Chemicals ist es dennoch gelungen, die Feuchtestabilität der Kerne Stück für Stück zu erhöhen.
Man muss trotzdem wissen, dass anorganische Kerne Luftfeuchtigkeit absorbieren, weshalb lange Lagerzeiten unter gewissen klimatischen Bedingungen vermieden werden sollten. Einen Hemmschuh sehe ich darin letztlich aber nicht, denn moderne Fertigungsmethoden wie Lean Production und eine reduzierte Lagerhaltung kommen dem Prozess entgegen.

Frage: Gibt es schon neuere Erkenntnisse zur Regenerierung anorganischer Kernsande?

Ja, die gibt es. In den Labor- und Pilotversuchen hat sich der zweistufige Prozess einer mechanisch-thermischen Regenerierung als besonders vorteilhaft erwiesen. Der thermische Schritt erscheint essentiell, um verbliebene Restbindergehalte auf dem Sand zu deaktivieren. Geschieht dieses nicht, wird die Sandlebenszeit herabgesetzt und auch die Fließfähigkeit der Sandmischung leidet. Wird der Altsand jedoch thermisch behandelt, zeigen die Sandmischungen aus 90% Regenerat und 10% Neusand keine derartigen Nachteile. Der hohe pH-Wert des Regenerates erfordert jedoch nach wie vor eine strikte Trennung von organischen Sandkreisläufen, z.B. würde eine PU-Cold Box-Mischung mit einem solchen Regenerat unmittelbar aushärten.

Oben beschriebenes Regenerierungskonzept wurde nun erstmals in eine Serienanlage überführt. Die ersten Erfahrungen im Serienprozess werden derzeit gesammelt, so dass wir hoffentlich an dieser Stelle bald mehr über die Ergebnisse berichten können.

Frage: Wo sehen Sie die Grenzen der Technologie, bei der Sie die Verwendung anorganischer Binder nicht mehr empfehlen?

Aufgrund der Investition in beheizbare Kernkästen beschränkt sich die Verwendung anorganischer Binder vermutlich auf den Großserienguss, für klein- und mittelgroße Serienanwendungen rechnet sich diese Umstellung nicht.

Die Herstellung wirklich großer massiver Kerngeometrien, wie etwa Kerne für Achsengehäuse, wird hinsichtlich der Taktzeit nicht mit dem Cold Box-Verfahren standhalten können. Hier sind aufgrund des Härtungsmechanismus, sprich durch die Trocknung, physikalische Grenzen gesetzt.

Frage: ASK Chemicals entwickelt das INOTEC®-Technologie  stetig weiter. Können Sie uns einen Ausblick darauf geben, welche Entwicklungen uns künftig erwarten?

Im Aluminiumbereich liegt der Schwerpunkt auf der kontinuierlichen Verbesserung der Bindersysteme. Kein Binder ist perfekt, auch nach 40 Jahren Cold Box-Entwicklung werden regelmäßig Neuerungen auf den Markt gebracht. Genauso verhält es sich mit INOTEC.

Die Anwendung im Eisenguss ist derzeit in der Erprobungsphase. Hier ist die Herausforderung natürlich in den noch höheren Gießtemperaturen zu sehen, weshalb der Fokus in der Entwicklung  auf der Vermeidung von Penetrationen und Deformationen liegt. Wir planen auch hier in naher Zukunft  in Großserienanwendungen einsteigen zu können.

Entwicklungssprünge sehe ich bei dem Transfer dieser Technologie auf andere Gussarten, z.B. Stahl.
Aber auch die Übertragung der Erkenntnisse von der Kernherstellung auf die Formherstellung wird den Anwendungsbereich anorganischer Binder erweitern. Die klassischen No-Bake-Bindersysteme wie z.B. Furanharze  durch anorganische Alternativen zu ersetzen, bildet ebenfalls einen Schwerpunkt unserer Forschung & Entwicklung bei ASK Chemicals.

Frage: Können Sie abschließend noch etwas zu Ihrer IP-Stellung und der Marktentwicklung für die nächsten 5 Jahre sagen?

Unser Know-how schützen wir natürlich. Deshalb sind alle wesentlichen Entwicklungsstufen des Binders zum Patent angemeldet und zum Teil bereits erteilt worden. Dieses ist nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kunden essentiell, da diese in eine neue Technologie Zeit und Geld investieren und dieses auch indirekt abgesichert sehen müssen.

Was die Marktentwicklung betrifft, so bin der Überzeugung, dass sich anorganische Binder im Bereich Aluminium-Kokillenguss aufgrund der zahlreichen ökologischen und ökonomischen Vorteile mittel- bis langfristig durchsetzen werden. Den Hauptmarkt sehe ich im Automotive-Serienguss. Einige OEMs haben die Entscheidung für die Anorganik bereits getroffen, weitere werden sicherlich folgen. Aber es gibt auch andere interessante Märkte, wie etwa den Bereich Armaturenguss, der ebenfalls vom Einsatz anorganischer Bindersysteme profitieren sollte.

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